Danielle Collins

Blickt über den Tellerrand: Danielle Collins macht sich viele Gedanken über ihren Sport hinaus.Bild: Getty Images

Danielle Collins: „ War überrascht, so schnell Erfolg zu haben”

Danielle Collins kletterte nach ihrem Sieg in Miami zurück unter die Top-30 der Damen-Weltrangliste. Dennoch will die US-Amerikanerin Ende 2024 ihre professionelle Tenniskarriere beenden. Im Gespräch mit tennis MAGAZIN spricht Collins über College-Tennis, ihre chronische Erkrankung und das ein oder andere Tabu-Thema.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 9/2023.

Als tennis MAGAZIN Danielle Collins bei den French Open 2023 zum Interview anfragt, hat sie gerade im Doppel in der ersten Runde mit ihrer Partnerin Emma Navarro klar verloren. Das wird wohl nichts werden mit einem Gespräch, denken wir uns. Umso überraschender, dass Collins, Finalistin bei den Australian Open 2022, direkt vom Court ins kleine Interviewseparee spaziert und sich nach einer Niederlage ausführlich Zeit nimmt, um über ihre Karriere und das Tennis in den USA zu sprechen.   

Danielle Collins: „War überrascht, dass jemand wie ich, so schnell Erfolg haben kann“

Frau Collins, Sie sind erst mit 23 Jahren Profi geworden und haben zuvor College-Tennis gespielt. Inwieweit hat das College Sie als Mensch und Spielerin geprägt?
Ich habe 2016 meinen College-Abschluss gemacht. Ich hatte nicht die Ressourcen, direkt nach den Juniorinnen eine Profispielerin zu werden. Außerdem hatte ich auch keine Erfahrung, um die Welt zu bereisen und daher noch keinen konkreten Eindruck, wie professionelles Tennis aussieht. Der Weg über das College hat mir geholfen, mental und emotional zu reifen. Es hat mir physisch auch ein bisschen Zeit zum Hereinwachsen in meinem Körper gegeben. Dieser Weg war wichtig für mich. 

Wie haben Sie den Einstieg bei den Profis erlebt?
Es hat mich überrascht, dass jemand wie ich, die vier Jahre an das College gebunden war, so schnell Erfolg haben kann. Der College-Weg ist sehr gut, um erwachsen zu werden und sich zu entwickeln. Man muss diese Zeit nutzen, denn nicht jeder ist, bereit, Profi zu werden, wenn man 15 oder 16 Jahre alt ist. Es gibt nur eine Handvoll Spieler und Spielerinnen, die das gottgegebene Talent haben. Wir alle gehen unseren eigenen Weg, dieser Weg war der beste für mich. Wenn man Spieler wie beispielsweise Ben Shelton nimmt, dann sieht man, dass das College ein gutes Sprungbrett für eine Karriere als Profi sein kann, auch wenn das vielleicht nicht der anfängliche Gedanke war. Das regt dann auch andere an, diesen Weg zu gehen.

Danielle Collins: „Von Teamwettbewerben können alle profitieren“

Was macht die Faszination College-Tennis aus?
Es ist dieser Teamwettbewerb. Wir wussten alle als Kinder, dass Tennis ein Einzelsport ist, aber es macht mehr Spaß in einem Team. Selbst die Spieler, die nicht in einem College spielten, haben Spaß an den Teamwettbewerben. Ich wünsche mir mehr Formate, in denen Männer und Frauen zusammenspielen, so wie beim United Cup in Australien. Alle Teams hatten eine Menge Spaß. Aus Zuschauersicht ist es auch schön, die Fans lieben diese Turniere, weil es etwas anderes ist. 

Welche Vorteile bieten Teamevents für die Zuschauer?
Ich mag die Einzelwettbewerbe, aber ich glaube von mehr Teamwettbewerben könnten alle profitieren. Im Team sieht man mehr die Persönlichkeiten der Spieler. Wenn ich für mein Einzel den Platz betrete, dann sagen Leute: Oh, du lachst nie. Ich denke mir nur: Ich nehme an einem Wettbewerb teil, ich habe keine Zeit zu lächeln. Ich versuche, das Match zu gewinnen und bin konzentriert. Wenn man jemanden zum Reden hat, wie im Doppel, dann sind meine Unterhaltungen mit meinen Doppelpartnerinnen immer sehr positiv. Deswegen sieht man meine wahre Persönlichkeit eher im Doppel. Im Einzel hat man nicht wirklich jemanden, mit dem man interagieren kann, außer dem Schiedsrichter. Wenn diese Unterhaltung geführt wird, dann lief es davor meistens nicht gut.

Danielle Collins: „Die Leute wollen sich immer auf Emotionen konzentrieren“

Der Gewinn des Billie Jean King Cups wäre also schöner als Ihr Erreichen des Australian Open-Finals im Jahr 2022?
Da muss ich sagen: ja. Ich bin sehr stolz über mein Australian Open-Finale, aber die Erfahrungen, die mir am meisten Freude bereitet haben, waren immer als Teil eines Teams. Wenn man in einem Team ist und regelmäßig mit den gleichen Spielerinnen antritt, dann lernt man sich wirklich kennen, man wird zu Freunden. Man hat den Gedanken im Kopf, dass man seine Freunde nicht enttäuschen will. Es ist ein gutes Beispiel für Kinder sowie alle Fans zu sehen, dass Teamwork funktioniert. Ich habe so viele tolle Erinnerungen an den Billie Jean King Cup. Jedes Mal, wenn es einen Teamwettbewerb gibt, dann bin ich dabei. Ich liebe es. Das ist der Grund, warum ich sehr viel Doppel spiele, weil ich diese Interaktionen zwischen den Punkten, auch nach den Fehlern, mag. Dass man über sich selbst lacht und deine Freundin lacht mit dir. Wenn man gut spielt, dann freut sich jemand mit dir.

Danielle Collins

Bei den Australian Open 2022 spielte sich Danielle Collins ins Finale vor und unterlag Ashleigh Barty.

Ihr Spitzname ist „Danimal“. Sie gelten als eine Kämpferin und eine emotionale Spielerin auf dem Court.
Ich glaube, die Leute werden oft davon angezogen. Das ist schade, denn ich mache so viele Dinge sehr gut auf dem Court, sowohl physisch als auch mental. Aber die Leute wollen sich immer auf die Emotionen konzentrieren. Ich finde das ein bisschen traurig, weil ich so hart an mir arbeite. Die Dinge, an denen ich arbeite, setze ich taktisch und physisch in den Spielen um. Aber darüber wird nicht so oft gesprochen. Ich werde als die emotionale Spielerin bezeichnet. Ich finde, die Männer werden nicht so bezeichnet.

Danielle Collins: „Die Art wie im Frauensport berichtet wird, ist so anders im Vergleich zum Männersport“

Sie haben bereits früher angemerkt, dass es eine Menge Sexismus im Damentennis gibt. Ist dies immer noch der Fall?
Ich weiß nicht, ob es unbedingt nur im Damentennis der Fall ist. Ich glaube, dass es eher ein Problem in der Gesellschaft ist. Die Art, wie im Frauensport berichtet wird, ist so anders im Vergleich zum Männersport. Denn jemand wie ich, der als emotional bezeichnet wird, wird im Männersport als passioniert, mutig oder furchtlos beschrieben. Es gibt eine Menge zu verbessern. Ich bin sehr dankbar, den bestbezahlten Frauensport zu spielen, aber in diesem Aspekt muss man noch vieles optimieren. Viele von uns machen unglaubliche Sachen auf dem Court, aber wir bekommen nicht die Anerkennung dafür, weil der Fokus auf anderen Dingen liegt. Das ist leider zur Gewohnheit geworden. 

Sie sprachen sehr offen über Ihre Operation wegen einer Endometriose. Haben sich Spielerinnen bei Ihnen bedankt, dass Sie über das Thema gesprochen haben?
Ja, vor allem mit der Endometriose und der rheumatoiden Arthritis haben sich viele Betroffene bei mir gemeldet und mich sehr unterstützt. Für viele Leute ist es eine Überraschung, dass eine professionelle Athletin in meinem Alter mit diesen gesundheitlichen Problemen in Berührung kommt. Während dieser Herausforderungen waren einige meiner Kolleginnen meine größten Cheerleader, obwohl dieser Sport ein Einzelsport ist. Wir haben einen schönen Zusammenhalt auf der WTA-Tour. Man freut sich für die anderen, wenn sie gewinnen. Wenn etwas nicht so gut läuft, dann sind sie sehr unterstützend. Es gibt andere Spieler, die familiäre oder gesundheitliche Probleme hatten. Man steht hinter den anderen und bietet seine Unterstützung an, was sehr schön ist, weil ich nicht wusste, was ich erwarten soll, da ich aus einem Teamsport im College gekommen bin. 

Danielle Collins: „Wenn man anfängt, sich über die Unter­wäsche der Spielerinnen zu unterhalten, dann verfehlen wir das Ziel“

Wimbledon hat 2023 farbige Unterwäsche für die Spielerinnen erlaubt. Eine gute Entscheidung?
Jeder hat seine Präferenzen. Manche schätzen die Historie des Turniers sehr, sie lieben die Tradition. Ich kann diese Entscheidung nachvollziehen, aber als Athletin sollte man die Möglichkeit haben, in der Kleidung zu spielen, in der man sich wohlfühlt. Ich verstehe die Tradition und respektiere das, aber wir üben einen physischen Sport aus. Solange gesichert wird, dass sich alle wohlfühlen, wird es zu keinem Drama kommen. Wenn man anfängt, sich über die Unter­wäsche der Spielerinnen zu unterhalten, dann verfehlen wir das Ziel, anstatt über andere, größere Probleme zu sprechen, die adressiert werden müssen. 

Sie sind die komplette Karriere den harten Weg gegangen. Macht es den Erfolg noch süßer, wenn man es von ganz unten bis nach oben geschafft hat?
Wenn ich mir meine Reise anschaue, dann würde ich es nicht als den schweren Weg sehen. Das Coole am Profitennis ist, dass so viele Spieler eine inspirierende Geschichte haben. Es gibt so viele verschiedene Hintergründe, Aufstiege und Wege, wie Spieler zum Tennis gekommen sind. So viele Herausforderungen, welche sie überwinden mussten. Manchmal denke ich mir, wenn ich andere Geschichten von Spielerinnen sehe: Wow, so schlecht hatte ich es gar nicht. Bei mir war es wegen meiner gesundheitlichen Schwierigkeiten, vor allem als junge Erwachsene, sehr hart, weil ich als Spielerin so abhängig von meinem physischen Zustand bin. Dabei gab es viele Hoch- und Tiefphasen. Ich versuche, diese Dinge in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Auf meinen Erfolg bin ich schon stolz. Für mich gab es Hürden, die ich überspringen musste.

Danielle Collins: „Ich bin so anders neben dem Platz“

Wie ticken Sie abseits des Platzes?
Ich spreche eher ruhig und bin unbeschwert. Ich bin eine sehr private Person, jemand, der sich nicht viel selbst promotet. Viele Leute sehen diese Seite von mir nicht. Wenn ich auf dem Court bin, dann bin ich sehr ehrgeizig, passioniert und kämpfe um den Sieg, aber abseits des Platzes ist das eine ganz andere Umgebung. Ich bin so anders neben dem Platz als auf dem Court. Deswegen habe ich beobachtet, dass viele Leute überrascht sind.

Danielle Collins

Volle Power: Der Lieblingsschlag von Danielle Collins ist die beidhändige Rückhand, die zu den besten auf der WTA-Tour zählt.

Das US-Tennis boomt. Im WTA-Ranking stehen derzeit 14 Spielerinnen in den Top 100. Was sind die Gründe für den US-amerikanischen Aufstieg der letzten Jahre?
Wir haben vor allem im Juniorenbereich eine große Zahl an Spielern, die auf hohem Niveau spielen, dazu noch die vielen College-Spieler, die auf der Tour durchgestartet sind. Wenn man so viele Spieler hat, die in der Lage sind, sich gegeneinander zu fordern, um für das nächste Ziel zu arbeiten, dann ist das der Grund, warum ein Land so viele gute Spieler hat. Man hat immer einen Spieler hinter sich, der versucht, die Position des Besseren einzunehmen. Das ist ein gesunder Wettkampf in vielen Aspekten. Die Kultur rund um den Tennissport in den USA ist sehr couragierend. 

Danielle Collins: „Die Grand Slams sind spektakulär“

Die US Open sind Ihr Heim-Grand Slam. Haben Sie einen Lieblingsmoment bei den US Open?
Aus Zuschauersicht war dies, als meine gute Freundin Bethanie Mattek-Sands von ihrer schweren Verletzung zurückgekommen ist. Sie hatte sich beim Wimbledonturnier 2017 an der Kniescheibe verletzt. Das war eine richtig schlimme Verletzung. Bei den US Open 2018 gewann sie das Mixed mit Jamie Murray. Bethanie zu sehen, wie sie so hart arbeitet, um wieder auf ihr spielerisches Niveau zu kommen, um dann das Mixed zu gewinnen, das war sehr emotional. Als ich jung war, habe ich Bethanie häufig im TV gesehen und dachte: Die Frau ist echt cool. 

 

Ist die Atmosphäre in New

 

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York anders als in Paris, Melbourne oder London?
Das Interessante an den US Open ist, dass die Stadt New York ein großer Schmelztiegel ist. Hier treffen sich so viele Leute aus vielen unterschiedlichen Ländern und Kulturen. Du kannst bei den US Open gegen jemanden spielen, der nicht aus den USA kommt, vor allem auf den kleineren Plätzen, und dieser Spieler hat manchmal 200 Fans dabei, die mitgereist sind, um den Spieler zu unterstützen. Das ist echt cool. Das zieht Leute von überall auf der Welt an und führt dazu, dass auch Spieler aus anderen Ländern angefeuert werden. Zwischen den Punkten bei Wimbledon ist es so ruhig, das ganze Stadion ist so ruhig, man könnte einen Stift fallen lassen und man würde es hören. 

Gefällt Ihnen das?
Ja, ich mag das. Bei den US Open ist es so, als würde um dich herum eine riesige Cocktailparty gefeiert werden, besonders bei den Abendspielen. Das gefällt mir auch. Man denkt, dass alle vier Grand Slam-Turniere ähnlich sind, aber alle unterscheiden sich voneinander. Das macht es so außergewöhnlich. In anderen Sportarten hat man zum Beispiel den Super Bowl beim American Football, aber wir haben vier davon, die in der Welt verteilt sind. Das ist schon spektakulär.

Vita Danielle Collins

Danielle Collins

Die US-Amerikanerin, 29, wurde im Alter von 23 Jahren Profi. Zunächst konzentrierte sie sich auf ihren Studienabschluss in Medienwissenschaften an der University of Virginia, für die sie zweimal den nationalen College-Titel im Einzel gewann. Collins spricht offen über ihre Endometriose-Erkrankung, die beinahe zum Karriereende führte. Bei den Australian Open 2022 spielte sie sich überraschend ins Finale vor. Karrierebestmarke: Platz sieben.